Wer oder was ist eigentlich „NESSI“?

Die fortschreitende Digitalisierung stellt die Finanzverwaltung zwar vor Herausforderungen, bietet jedoch auch Chancen für eine weitere Modernisierung des Besteuerungsverfahrens. Hier kommt die Nachweisplattform ELSTER Self-Sovereign Identities ins Spiel – oder einfach „NESSI“.

ELSTER ist uns allen ein Begriff. Ganz im Gegensatz zu „Self-Sovereign Identity“ (kurz: SSI). Mittels SSI bestimmen Steuerpflichtige selbst, welche Daten, die durch die Finanzverwaltung digital bescheinigt wurden, Dritten zur Verfügung gestellt werden. Die bescheinigten Informationen können beispielsweise in einer Wallet-App gehalten und dann selektiv und anlassbezogen durch Steuerpflichtige eigenverantwortlich offenbart werden. Die Prüfung des Nachweises erfolgt über Verteilte-Datenbank-Technologie. Denn die Drittpartei erhält dadurch die Möglichkeit, die Gültigkeit der bescheinigten Information zu verifizieren, ohne dass die Daten selbst auf der Verteilten Datenbank liegen. Aktuell arbeiten Politik und Wirtschaft an SSI Lösungen zum Identitätenmanagement und entwickeln ein Ökosystem, in dem die Finanzverwaltung einen wichtigen Platz als Austeller steuerlicher Bescheinigungen einnehmen kann.

NESSI kann papierbasierte Bescheinigungsverfahren der Finanzverwaltung durch eine digitale Lösung ersetzen. Zu diesem Zweck strebt das Bayerische Landesamt für Steuern (BayLfSt) nun ein detailliertes technisches Konzept und die Implementierung eines Prototypenbetriebs gemeinsam mit der Sparkassen-Finanzgruppe an. Dabei können (fiktive) Nutzerinnen und Nutzer des Prototypen Daten ihres Einkommensteuerbescheids in Form eines sicheren digitalen Nachweises (Verifiable Credentials) über die Plattform Mein ELSTER beantragen. Als Mitglieder nutzen das BayLfSt und für die Sparkassen-Finanzgruppe der DSGV hierfür auch das IDunion Testnetzwerk. 

Die praktische Nutzung der Einkommensteuerbescheid-Verifiable Credentials wird am Beispiel der Kreditbeantragung in Prozessen der Sparkassen-Finanzgruppe demonstriert. Die Nutzerinnen und Nutzer können die Verifiable Credentials bei einer (fiktiven) Sparkasse als Bonitätsnachweis zur Kreditbeantragung vorlegen. Darüber hinaus könnte dieser digitale Einkommensnachweis die Beantragung diverser weiterer Leistungen, wie beispielsweise BAföG, vereinfachen. Auch eine Nichtveranlagungsbescheinigung oder andere steuerliche Bescheinigungen könnten in diesem System abgebildet werden.

Die Steuerverwaltung profitiert insbesondere von der Hoheit über die Gültigkeit von SSI-basierten Nachweisen, da ein Widerruf von ausgegebenen Bescheinigungen ermöglicht wird. Auch erlaubt SSI, dass Steuerpflichtige die Daten selbst weitergeben. Dadurch werden prozessuale Komplexitäten reduziert und somit notwendige Schnittstellen minimiert.

Den Steuerpflichtigen bieten SSI-basierte Nachweise einen erhöhten Nutzerkomfort, Selbstkontrolle und Privatsphäre, da Zero-Knowledge-Proofs bzw. Range-Proofs die Möglichkeit bieten, lediglich relevante Teildaten des Einkommensteuerbescheids vorzuzeigen. Zudem kann die überprüfende dritte Partei – im Beispiel der Kreditbeantragung eine Bank oder Sparkasse – auf voll digitale Workflows bauen sowie von einer hohen Datenqualität profitieren.

Die Bundessteuerberaterkammer beteiligt sich ebenfalls am Projekt. Dabei soll die Bevollmächtigtenrolle von Steuerberaterinnen und Steuerberatern bei NESSI konzeptionell untersucht und integriert werden.

Weitere Projektbeteiligte neben dem BayLfSt

  • Bayerisches Staatsministerium für Digitales (Beteiligung an Finanzierung)
  • mgm technology partners (externer Dienstleister)
  • Fraunhofer FIT (externer Dienstleister)
  • Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (externer Dienstleister)
  • Deutscher Sparkassen- und Giroverband (Kooperationspartner)
  • Bundessteuerberaterkammer (Kooperationspartner)
  • IDunion (BayLfSt ist assoziierter Partner)
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